Rallyetag 19 : Wüste !




nächster Tag

Still – ganz still ist es. Es ist morgens kurz nach 6, vom Bett horche ich durch die geöffnete Autotür in die Wüste. Ruhe. Obwohl sich schon einige Leute draussen bewegen scheint die Umgebung alles aufzusaugen. Warm ist es auch schon. Meine Schuhe hatte ich abends unters Auto geworfen. Beim Anziehen fällt mir auf, dass ich gar nicht nachgeschaut habe, ob irgendetwas hineingekrochen ist. Hätte das schiefgehen können ?

Das Wüstencamp ist inzwischen komplett, die nächtlichen Nachzügler müssen gekommen sein, ohne dass wir das mitbekommen haben. Dafür stehen ein paar weitere Fahrzeuge da, Pickups, ein Wassertank-LKW und ein geländegängiger Truck. Unsere Aufpasser sozusagen.

Route Tag 19

Wenig später kommt ein weiterer LKW mit den Teilen einer Startrampe vorbei, die umgehend aufgebaut wird. Aha, heute gibt es hier ein Motorsport EVent. Eigentlich steht heute morgen spielen im Sand an – mit Autos selbstverständlich. Driften, Geschwindigkeitstest auf Sand und so – doch irgendwie steckt uns der letzte Tag noch in den Knochen, wir verpassen das Spektakel und bereiten uns eher auf die nächste Etappe vor.

Nach Überquerung der Startrampe geht es erstmal zu zwei historischen Gebäuden in der Nähe. Vielleicht ein ganz frühes Motel an der Seidenstrasse ? Da ist man sich nicht so einige wie bei dem anderen Gebäude, einem Jagdpavillon aus ganz alter Zeit. Dann geht es los – 300m in den Sand, dann am roten Stein rechts. 5 Kilometer nach Westen, dann Abbiegen und 27 km nach Süden. Alternativ immer den Sandfahnen der vorfahrenden Autos hinterher.

 

Das ist das, was das Roadbook für den Rest des Vormittags vorgibt. Ein bischen bangschissig tun wir uns mit einem anderen Team zusammen, um loszufahren, alleine trauen wir uns da nicht ran. Immerhin haben wir nur einen Kompass und die Tageskilometerzähler der Autos zur Verfügung, um uns zu orientieren.

Hier ist keine Sandwüste, hier gibt es STEINE ! Die Gefahr sich festzufahren ist deutlich geringer, als sich an Steinen Reifen zu zerstören oder Ölwannen abzureissen. Vorsichtig tasten wir uns weiter. Auf Ebenen müssen wir versetzt fahren, damit wir überhaupt etwas sehen können. Die Staubfahnen der vorausfahrenden Autos sind enorm und es ist schlimmer als Nebel.

Vorgewarnt waren wir wegen des Flüssigkeitsbedarfs – aber das Trinken fällt leicht, jeder hat kontinuierlich eine Flasche in der Hand. Wohl dem, der genug dabei hat. Mit unseren unklimatisierten Autos müssen wir die Scheiben unten lassen, ansonsten wird es schnell viel zu warm. Das hat zur Folge, dass der Staub in jede Ritze kriecht. Klamotten, Ausrüstung, wir selber. Alles sieht innerhalb kürzester Zeit aus wie die Sau.

Es macht trotz allem Spass – erstaunlich, wie viel Offroad Potential die Tees haben. Wir setzen wenig auf und wenn, werden die Autos von den stabilen Unterfahrschutzblechen geschützt.

Gegen mittag geben die ersten Reifen auf. Der schwarze Tee wird von einer Pannenserie geschüttelt, innerhalb einer hablen Stunde gehen drei Reifen kaputt. Damit geht es uns noch gut, andere Teams zerstören innerhalb weniger Stunden 7 und mehr Reifen. Irgendwann sehen wir Teams, die sich auf der Felge durch die Wüste kämpfen, ohne dass noch ein Ersatzrad verfügbar wäre.

Gegenseitige Hilfe ist das was zählt – wir nehmen ein Auto eines anderen Teams in unsere Mitte, da die zwei Insassen inzwischen alleine fahren weil sich ihr Team aufgelöst hat.

Gegen 15:00 erreichen wir das erste Etappenziel. Laut Roadbook haben wir noch 75km durch die Wüste. Nervosität macht sich breit : nur noch ein Ersatzrad, bei der bisherigen Durchschnittsgeschwindigkeit werden wir es vor Einbruch der Dunkelheit nicht bis zum nächsten Camp schaffen. Andere Teams kommen dazu, es wird diskutiert, wie es weiter gehen soll.

Wir beschliessen einen Shortcut – nach Westen aus der Wüste raus, Richtung Schnellstrasse. Das ist schnell umgesetzt. Erstaunlicherweise sind wir nach weiteren 1,5 Stunden aus der Wüste heraus – und ein Teil des Teams ist enttäuscht, dass das Abenteuer nun vorbei sein soll. Der andere Teil des Teams sucht die Zivilisation.

Wir suchen auf der Karte nach Möglichkeiten weiterzumachen und werden von den Anwohnern – wo auch immer die alle herkommen, lautstark und tatkräftig unterstützt. Für sie scheint uns Ankunft genausoviel Abenteuer zu sein wie für uns.

Gut, dass wir dann mit unseren Gastmitfahrern einen Deal schliessen. Rallyeteilnehmer tauschen durch die Autos, zwei Autos fahren ins Hotel, die zwei anderen Autos fahren weiter, auf der Suche nach dem nächsten Wüstencamp.

Kurze Zeit später werden wir von einem einheimischen Pickup überholt, eine Ambulanz ist auch mit dabei. Das sind die Begleitfahrzeug aus dem Camp von heute morgen !! „Wo wollt ihr denn hin“ wird gefragt, wir berichten von unseren Plänen.

Die Eskorte zum nächsten Camp wird angeboten, der Nicht-Hotel Teil sagt gerne zu. Im Konvoi fahren wir zu einer Werkstatt an der nahegelegenen Landstrasse. Dort steht bereits ein anderes Team und leckt seine Wunden : Reifen werden geflickt, kaputte Ölwannen notdürftig abgedichtet.

Bald geht es weiter. Unsere Escorte fährt mit hoher Geschwindigkeit durch den frühen Abend. Ob auch die einheimischen Fahrer die Dunkelheit fürchten ? Noch im Hellen biegen wir in ein Militärgelände ein, zumindest steht ein Checkpoint vorne dran. Die Strassen werden schlechter und schlechter, die Geschwindigkeit steigt. Was diese Autos alles aushalten …

Schnell wird es dunkel – wir fahren dem Blaulicht der Ambulanz hinterher, verlieren sie aber aufgrund ihres halsbrecherrischem Tempos irgendwann. Nur noch in der Ferne kann man erkennen, wo es langgeht. Glücklicherweise sind inzwischen wieder mehr Rallyeautos beieinander, so dass man nicht alleine ist. Wege sind irgendwann nicht mehr erkennbar, wir fahren im Dunkeln durch Steppe, Sand, Geröll. Spät ist ein Lichtschein erkennbar, der ein Camp zu kennzeichnen scheint. Nach kurzer Überlegung geht es querfeldein auf das Licht zu – mit Erfolg, irgendwann sind wir, erschöpft und unendlich erleichtert angekommen.

Mit unserem Gast-Teammitglied Thomas bauen wir unser Lager auf, kochen und essen. Als Belohnung für den langen Tag gönnen wir uns ein teures Bier ( 5$/Dose) aus dem Campangebot. Nur wenige Teams haben es hierher geschafft und wir sind mächtig stolz auf uns !

Pannen : drei kaputte Reifen, eine abgerissene Tachowelle