Rallyetag 20 : Zurück in die Zukunft



 
nächster Tag

„Das wars“ denke ich beim Aufwachen. Noch einmal die seltsame Wüstenatmosphäre am frühen Morgen aufsaugen. Als wir eine Stunde später das Camp aufräumen habe scheint es, als wäre es den anderen Teilnehmern auch so ergangen. Gestern abend gab es keine Beschallung im Fahrerlager, es war sehr ruhig – alle genossen die Stille. Oder sind wir einfach nur erschöpft ?

Route Rallyetag 20

Das glaube ich eigentlich nicht. Im „Oriental Mode“ räume ich meine Sachen zusammen, wir machen uns auf den Weg. Raus aus der Wüste, rein ins jordanische Getümmel. Keine Ahnung, welch abwechslungsreicher Tag uns heute bevorstehen wird.

Heute morgen sollen Spendengüter an eine Kinderorganisation übergeben werden, gerade ein paar Kilometer weiter in den Süden. Dafür müssen wir erst nach West aus dem Wüstenabschnitt herausfahren, bis dass wir wieder auf die Schnellstrasse kommen. Die Fahrt aus dem Camp ist unspektakulär und atemberaubend zugleich. Wo wir in der Nacht im Dunkeln Abgründe oder Steine oder sonstwas vermuteten ist einfach – nichts! Sand, Steine, mitten im Nirgendwo hat jemand eine Teekanne vergessen.  Auf geradem Weg fahren wir gen Westen, ein Stück über ein Rollfeld, welches einfach so hier in der Gegend liegt. Abseits des Tracks ist ein Beduinencamp zu sehen.

An der Schnellstrasse holt uns schnell die jordanische Zivilisation ein. Abenteuerlich gepackte LKW fahren Highway Rennen, wir sind nocheinmal erstaunt über die Lässigkeit bei der Ladungssicherung. Tankstop – ich denke mir nichts Böses und dann passiert das unfassbare : Ivonne lässt den roten Tee nochmal waschen, so dass er aussieht wie ein Neuwagen. Was die Jordanier glücklich macht, stösst bei so manchem Rallyeteilnehmer auf wenig Verständnis. Der Dreck ist schliesslich teuer erkauft …

Auf der Suche nach dem Übergabeort für unsere noch vorhandenen Ausrüstungsgegenstände treffen wir tropfenweise auf andere Rallyeteilnehmer. Die haben in der letzten Nacht ähnlich tolle Dinge erlebt wie wir – ehrlich gesagt sind wir gut davon gekommen. Vor allem die Teams, die gestern nach Osten gefahren sind, haben abenteuerliche Geschichten von Übernachtungen auf Tankstellen, kaputten Autos und fehlenden Ersatzrädern zu berichten. Man munkelt auch von aufgegebenen Fahrzeugen …


Im Konvoi werden wir von einem frei gefundenen Sammelplatz zum AOR Jugendhaus gebracht – die Jordanier lassen sich das einfach nicht nehmen ! Am Übergabeort treffen wir unsere Team-Hotelgänger wieder, die schon früh dort eingetroffen sind. Wir sind alle überfordert von der Spendenverteilung : es wird um alles gebalgt, jeder möchte etwas haben, es ist ein Schubsen und Stossen.  Die letzten verwertbaren Dinge, die wir mit uns führen, wollen wir besser an anderer Stelle abgeben und nehmen sie wieder mit.

Dafür bauen wir unseren Stein für die Wishwall genüsslichein – Edwin darf endlich mal mit Zement spielen und wir anderen nehmen die Kelle wenigstens mal zur Schau in die Hand.

Wo und wie geht es nun weiter ? Das Roadbook sieht noch einen Checkpoint im King’s Canyon vor. Wir schauen nochmal in die Karte – die irgendwie schon vertraut ist. King’s Highway nach Norden Richtung Al Hasa, nach Westen Richtung Karak dann irgendwie ans tote Meer Richtung Finish !

Der King’s Highway beeindruckt mich nochmal. Diese große breite Nord-Süd Autobahn ist ein Widerspruch in sich. Am Rand der breiten, neuen  und glatten Fahrbahn stehen die kleinsten und einfachsten Werkstätten, die ich bislang gesehen habe und direkt daneben die neusten und coolsten Highway Patrol Autos. Seltsam.

Die Fahrt bleibt spannend : Kurz vor Al Quatana biegen wir nach Westen auf die D50 ab, Richtung Karak. Die Landschaft verwandelt sich mit jedem Höhenmeter, den wir erklimmen. Wir fahren einen Querschlag Richtung Nordwesten und auf einmal wächst wieder was. Das scheint Getreide zu sein ! Man sieht es sofort den Häusern an, hier herrscht bescheidener Wohlstand. Im nächsten Ort, den wir durchqueren, stehen viele Pickups mit Gemüse, vornehmlich Tomaten. Die aufgeschlossenen Leute winken, wir machen Bilder.

Das OK schickt uns über die D35 nach Norden – noch während wir überlegen, warum hier entlang und nicht direkt am Ufer des Toten Meers fahren wir um eine Ecke und blicken auf den King’s Canyon. Wahnsinn. Tief. Trocken. Mit Staudamm. Langsam und mit vielen Pausen zum Bildermachen fahren wir einmal runter und wieder hoch. Ich hätte nicht gedacht, dass die Autos heute nochmal so arbeiten müssen.

Nur eines haben wir hier nicht gefunden : den versprochenen Checkpoint. Ein Team überholt uns erst, kommt auf der Suche nach dem Checkpoint wenig später wieder zurück. Nichts zu machen ! Werden wir die Rallye nun verlieren, weil wir den letzten Checkpoint verpassen ? Wir beschliessen, dass nicht und fahren weiter.  Es geht munter hoch und runter, es ist warm. Eigentlich habe ich mich inzwischen aklimatisiert, es darf gerne trocken und warm bleiben.

Unsere Autos fahren tapfer weiter. Der rote Tee hat sein Husten nach dem Tanken von Super- anstelle von Normalbenzin wieder verloren und macht den Anschein, als würde er ewig weiterfahren wollen. Die anderen beiden Autos schlage sich ähnlich tapfer. Müssen wir die wirklich bald abgeben ?

Auf einmal sind wir wieder am toten Meer – und wenig später sehen wir die ersten Hotels. Dann, unübersehbar stehen wir vor unserem Palast : viele Rallyeteams sind schon da, wir müssen richtig nach Parkplätzen suchen. Ivonne darf mit dem roten Auto vorm Portal vorfahren – ob es am frisch geputzten Auto liegt ?

Ins Hotel kommen wir nur durch eine Schleuse. Hier wird unser Gepäck sogar geröntgt, wir sollen weder Messer noch Waffen mitbringen. Dann kommt der Schlag : nach mehreren Tagen weit draussen, mit Staub und viel Sand kommen wir in eine antiseptisch anmutende klimatisierte Umgebung. Ich fühle mich mit meinen Zottelhaaren und einigen Tagen ohne Dusche seltsam deplaziert.

Wir dürfen dennoch einchecken und nehmen unsere Zimmer in Beschlag : groß, sauber und luxuriös. Ob das OK das mit Absicht so organisiert, dass man hier aus dem Nichts einschlägt ?

Lange Dusche, 5 Sterne Abendessen. Wir sind angekommen. Der Abend wird überschaubar kurz, wir sind alle erschossen.