Rallyetag 4 – endlich Istanbul !




nächster Tag

Unsere Nacht war bestimmt von erschöpftem Tiefschlaf und unruhiger Traumphasen, ob der schlechten Gedanken, was der Schwarze Tee morgen so machen würde. Unser Frühstück war wieder gastfreundlich reichhaltig – das besondere hier: hausgemachter Käse. So richtig geniessen konnte das Frühstück allerdings niemand.

Route Tag 4Eigentlich waren alle mit ihren Gedanken beim Schwarzen Tee. Kaum war der größte Hunger gestillt, wurden Messer und Gabel gegen Schraubenschlüssel und Ratsche getauscht. Den über Nacht auf der Heizung getrockneten Luftfilter wieder rein, Zündkerzen nochmal raus, mit dem Anlasser noch einmal das letzte Wasser aus dem Kolben gedrückt, Zündkerzen wieder reingeschraubt. Der erste Startversuch, der Anlasser bleibt hängen: /:/: /:OH NEIN, Kerzen wieder raus, das war wohl noch nicht das letzte bißchen Wasser.Der Anlasser drückt einen großen Schwall braunen Wassers direkt über Edwins frisches T-Shirt raus. Zündkerzen rein, Startversuch :\ :\ :\ Wo um alles in der Welt kommt das ganze Wasser aus dem Motor noch her ?

Übrigens, das T-Shirt von Edwin war nur beim ersten Drehen des Anlassers zum Wasser rauspumpen frisch und danach hat er auch immer einen Schritt nach hinten getan. Als der Motor dann doch endlich trocken war, haben wir ein bißchen HSS2000 von Würth als Startbeschleuniger in die Kolben gesprüht. Das Zeug zündet besser als der Sprit – ein Wundermittel ! Das blau-rote von der Konkurrenz haben wir auch gar nicht dabei ;-). Ach übrigens, das Wichtigste war wohl, daß der Schwarze Tee anfing zu wiehern und sich aufzubäumen und losgaloppieren wollte

Also schnell den Laptop zugeklappt und ins Auto geschmissen. Denn eigentlich hatten wir – Nicole und ich – mit einer längeren Reparaturzeit gerechnet und uns mit unserem mobilen Rallye-Büro am Eßtisch der Villa Belegania niedergelassen, aber auch wir waren in Gedanken und mit unseren Ohren draußen bei den Startversuchen des Schwarzen Tee.Die Erleichterung, die wir alle verspürt haben, war greifbar. Unsere Freude steckte auch die Wirtsleute an. Die Mama des Hausherren hatte beim Verabschieden Tränen in den Augen und hat uns alle nochmal in den Arm genommen, fest gedrückt und geküßt ! Mit diesem herzlichen Abschied sind wir dann vom Hof geritten. Christian, der Hausherr hat es sich nicht nehmen lassen uns den richtigen Weg zur Bundesstraße zu zeigen. Auch von ihm haben wir uns dann herzlich verabschiedet, ein bißchen hatten wir das Gefühl, daß er selbst gerne mitgefahren wäre. Sollte jemand von Euch mal in die Ecke von Pitesti kommen und eine Übernachtungsmöglichkeit suchen, dann fahrt zu Christian in die Villa Belegania und erzählt von dieser Aktion, dann habt ihr sicher einen netten Abend dort 😉

Der letzte Gruß von Christian: „Such things is the spice of your journey – you won’t forget in your lifetime !“ Ein weiser Mann !

Und trotz aller Aufregung waren wir nun richtig früh unterwegs. 08.00 Uhr und wir sind schon auf der Landstraße in Richtung Ruse unterwegs. Wir verlassen die N 7 nach einer Weile und fahren auf direktem Weg auf eine etwas kleinere Straße (ist nur noch gelb auf der Karte) und siehe da, es gibt doch das eine oder andere Schlagloch, aber vorallem auch einige Ortsdurchfahrten, die Bremsen schon ein wenig.

Wir befinden uns mitten in der Wallachhei und so erfahren wir im wahrsten Sinne des Wortes, was das bedeutet. Hier ist „weit weg von zuhause“ „nix“ „alles tot“ „viel Gegend“. Dennoch sehen wir in den Dörfern entlang unserer Route viele Menschen. Sie gehen ihrem Tagwerk nach: das Pferd weiden, die Kuh hüten, den aufgeweichten Graben vor dem Haus wieder herrichten, auf die Kinder aupassen, Schafe hüten. Es sind vornehmlich alte Menschen, Kinder und Frauen, die wir sehen. Alle sind eigentlich beschäftigt, nur anders als wir es in Westeuropa gewohnt sind. Alle gucken freundlich und interessiert unseren bunten Autos hinterher. Viele Winken und lachen uns an ! Die Häuser sind einstöckig gebaut, ganz schmal, aber langgezogen. Alle Häuser stehen in einem Garten, der umgeben ist von einem massiven Zaun. Zäune scheinen hier wichtig zu sein. Manchmal sieht man ein Haus, das noch nicht ganz fertig ist und an dem gerade gebaut wird, aber der Betonzaun ist schon fertig. Offensichtlich werden die Häuser bunt angemalt, wenn die Familie es sich leisten kann. Aber genauso oft sieht man Häuser, mit Fenstern, die unglaublich alt und schlecht sind, wo der Putz blättert. Aber es liegt kaum Müll herum, es ist so ordentlich, wie es mit geringen Mitteln möglich ist. Was eben machbar ist ohne Geld, aber mit Zeit.

Eines ist sehr gewöhnungsbedürftig: Die vielen, vielen Hunde auf der Straße und an der Straße. Manche sind sehr aggressiv und laufen den vorbeifahrenden Autos hinterher und versuchen in die Reifen zu beissen. Manche sind sehr lässig und spazieren in aller Seelenruhe über die Straße oder liegen schlafend am Straßenrand. Manche waren eventuell zu agressiv oder zu lässig: einige liegen tot am Straßenrand oder auf der Straße.

Auf den weiten Feldern sehen wir viele Ölpumpen. Unter der Walachhei gibt es erhebliche Erdölvorkommen, deren Förderung sich offensichtlich lohnt. Es ist dort allerdings kein Mensch zu sehen.

Wir erreichen den rumänischen Grenzort und müssen nur noch die Auffahrt auf die Donaubrücke finden. Peter hatte bereits irgendwo gelesen, daß die Rumänen den eher verstecken. Tatsächlich, die Beschilderung des Wegs zur Grenze ist eher bescheiden, aber wir haben ja unser Navi Dirk – es braucht keinen Strom nur regelmäßige Mahlzeiten, ist dabei aber sehr genügsam. Natürlich haben wir die Brücke gefunden. Die Auffahrt zur Brücke ist die mit Abstand schlechteste Straße unserer bisherigen Reise. Die Schlaglöcher haben nur den Vorteil, daß sie nicht mit Wasser gefüllt oder gar überflutet sind. 😉

Wir entrichten unseren Brückenzoll, zeigen brav unsere rumänische Straßenvignette vor und sind schon auf dem Weg nach Bulgarien: hoch über die Donau. Die Brücke ist ein beeindruckendes Bauwerk. Die Brückenpylone sind mächtig und bereits von weitem gut zu sehen. Die Stahlfachwerkkonstruktion beeindruckt uns alle. Unsere Bewunderung für diese Brücke äußern wir über die Funkgeräte – wie gut, daß wir die haben ! Leider drängelt sich ein Auto zwischen unsere drei Wüstenwahn-Boliden. Der Weg über die Brücke ist lang. Aber nicht so lang wie vor 20 Jahren als ich (Ivonne) mal 6 Stunden auf die bulgarische Grenzabfertigung warten mußte. Damals hatte gerade der Jugoslawien-Krieg begonnen und der gesamte Transitverkehr in die Türkei mußte umgeroutet werden über Rumänien und Bulgarien. Darauf waren die beiden Länder aber in keiner Weise vorbereitet. Es bildeten sich tagelange LKW-Staus. Einmal auf der Brücke gabe es kein zurück mehr

Mit diesem Gefühl passierte ich die bulgarische Grenze. Im Vorfeld hatte ich alle anderen schon ein bißchen verrückt gemacht. Und dann haben die uns einfach durchgewinkt. Zugegebener Maßen durfte ich auch nicht fragen, ob wir ein Foto von uns vor den Grenzanlagen machen dürfen. So einfach ist heute das Reisen durch ganz Europa !

Unser Grenzbild haben wir per Selbstauslöser von der Mülltonne aus gemacht. Es war mal gerade kein anderes Team zur Stelle. Die Grenzanlagen und die Pylonen der Brücke sind zu sehen, das sollte reichen.

Durch Bulgarien sind wir im Anschluß nur so geflogen. Das waren die besten Straßen unserer Reise bis dato. Unsere Kaffepause war toll: 6 Kaffee für 2,40 Euro per Kreditkarte bezahlt – dieses Preisleistungsniveau werden wir so schnell nicht wieder finden. Auf der Strecke haben wir viele Tiere, kaum Häuser und ganz wenige Menschen gesehen. Es war in aller erster Linie tolle Landschaft. Unsere Route führte über ein paar sehr schöne Pässe, die uns wahrlich beeindruckende Panoramen boten. Eigentlich genau das richtige für so ein schönes verlängertes Wochenende mit dem Moped befand Nicole -wenn da die Anreise nicht so lang wäre !

Schneller als erwartet erreichten wir aufgrund der unerwartet guten Straßenverhältnisse die türkische Grenze bei Hamzabeyli. Die Grenzabfertigung ging ebenso schnell wie die vorherige. Die Bulgaren wollten gar nix von uns wissen. An der EU-Außengrenze haben dann wenigstens die Türken aufgepaßt, wer in ihr Land REIN kommt. Wir mußten unsere Pässe gefühlte 20 mal abgeben, bekamen sie zurück, mußten etwas eintragen lassen und mußten die Pässe letztendlich nochmal bei einer wasserstoffblonden türkischen Grenzbeamtin vorzeigen. Unser Grenzbild mußten wir schon wieder mit dem Selbstauslöser machen – weit und breit kein Rallye-Team zu sehen. Willkommen in der Türkei !

Wir erreichten Edirne weit vor der Dunkelheit, sodaß unser Entschluß reifte, doch noch am selben Tag Istanbul zu erreichen. Die Straßen in der Türkei waren fast schon langweilig. Breit ausgebaut und in hervorragendem Zustand – et lööf. Und alles was einmal rennt, bloß nicht mutwillig stoppen.

Wir fassen den lang diskutierten Plan, bis zur Dunkelheit weiterzufahren. Dann eine längere Pause zumachen wegen der vielen K’s und eventuell etwas zu essen. Die nächste Raststätte sollte dann unsere sein. Aber dann kam einfach keine Raststätte. Vor lauter Verzweiflung wegen der 3 Ks hielten wir dann an einer Tankstelle. Der türkische Kaffee ist heutzutage der gute Nescafe – aber besser als nix. Und schon wieder haben wir für einen Minimalbetrag mit Plastikgeld bezahlt. Wir hatten noch keine türkischen Lira.

Kaffee macht erstmal wach, Ivonne dann aber auch schnell müde. Als Fahrer fiel sie dann aus. Nach einem kurzen Zwischenstopp, war sie nicht wieder wachzukriegen. Für Peter hieß es da „Augen auf und durch“. Die anderen sind auch müde, denn der Weg nach Istanbul zieht sich aufgrund der einsetzenden Müdigkeit wie Kaugummi.

Dirk lotst die Truppe wieder gekonnt durch die Stadt. Als die Blaue Moschee zu sehen ist, biegen er und Andreas im Schwarzen Tee kurzentschlossen auf dem kürzesten Weg nach rechts ab. Eddie und Nicole hinterher. Und Peter wird im Gegenverkehr festgehalten. Wüstes Gehupe beginnt. Gefühlte 100 Taxifahrer, die entgegenkommen gestikulieren wild. Es geht nichts mehr vor noch zurück. Erst als Dirk die Straße oben absperrt, löst sich der gordische Knoten. Auch der Rote Tee kommt endlich auf dem Platz vor der Blauen Moschee bei dem Blauen und Schwarzen Tee an.

Es ist 01.00 Uhr. Wir sind in Istanbul angekommen ! Wir beziehen für die nächsten 2 Tage unsere Position direkt vor dem südwestlichen Obelisken des antiken Hippodroms. Ohne zu wissen, daß wir die wichtigste Hinweistafel mit unserer Wagenburg einkesseln. Was das bedeutet, lernen wir in den nächsten Tagen.

Vollgepumpt mit Adrenalin suchen wir noch eine Bar auf. Oh Wunder, auch um 01.00 Uhr kann man hier noch warmes Essen bestellen. So kommen wir doch noch zu unserem Abendessen. Nach dem einen oder anderen Bier gehen wir dann doch gegen 04.00 Uhr schlafen. Vorher sehen wir noch Wilfried und Jochen vom OK mit ihren Motorrädern um den Platz fahren. Wir verbringen die erste Nacht in unseren Autos. Gute Nacht !

Start: Oarja

Ziel: Istanbul

Km-Stand Anfang: 253 412

Km-Stand Ende: 254 158

gefahrene km: 746